Malek Herbst Architekten entwickelten für Josef Göbel eine Küche der besonderen Art. Gründungspartner Georg Herbst im Gespräch über das Denken in Lebensräumen, die Bedeutung von Zeitlosigkeit und darüber, warum gute Architektur Selbstverständlichkeit braucht.
Credits Fotos: Schaller Lukas, Müllner Monika
Herr Herbst, wie denkt man eine Küche neu?
Unsere Idee war, die Küche als ein modulares System zu entwickeln, das in seiner Grundstruktur und seiner Dimensionierung flexibel ist. Die Grundstruktur macht es möglich, sie in unterschiedlichen Qualitäten und vor allem auch in unterschiedlichen Größenordnungen umzusetzen. Je nachdem, welche Möglichkeiten und Bedürfnisse jemand hat. Und wenn man in eine andere Wohnung zieht zum Beispiel, kann man sie einfach mitnehmen. Und ganz einfach an die neue Lebenssituation anpassen. Die Teile, die in der Formrohrstruktur stecken, kann man ganz einfach tauschen. Man kann etwa auch die Oberflächen ersetzen, sollte man irgendwann etwas Neues wollen.
Die Küche also, die dich ein Leben lang begleitet?
Man kann auch ein Regal daraus bauen, wenn man sie als Küche nicht mehr braucht. Meistens wird sie aber eine Küche bleiben. Sie ist zeitlos. Und sie wird nie fad.
Ist das z. B. etwas, das sich Architekten ausdenken, weil sie in Lebensräumen denken und nicht daran, Küchen zu verkaufen?
Wir denken in Lebenssituationen und Lebensräumen, das ist richtig. Aber ich denke auch daran, wie ich es fein finde, wie ich es gerne hätte. Und dann gehe ich davon aus, dass das auch andere gerne hätten. Und in dieser Form wurde eine Küche bislang noch nicht gedacht. Mit Josef Göbel haben wir einen Partner, der das handwerklich umsetzen kann. Und deshalb ist es am Ende in diese Richtung gegangen.
“Die größte Kunst ist es, etwas so selbstverständlich wirken zu lassen, dass es scheint, als hätte es nie anders sein können.“
Georg Herbst
Architekt
Wenn wir von der Küche zum ganzen Haus schauen: In Fladnitz haben Sie ein mehrfach ausgezeichnetes Einfamilienhaus revitalisiert, wo sehr viel mit Holz gearbeitet wurde …
Grundsätzlich ist es so, dass wir uns, wie auch bei der Küche, immer sehr lang mit der Materialität beschäftigen. So haben wir viele Materialien, die es im Altbau schon gab, verwendet. Und andere eben ersetzt. Der ganze Sockel ist aus Sichtbeton, der war ursprünglich gemauert. Aber das war nicht zu halten, auch aus statischen Gründen. Wir haben uns dann für eine neue Interpretation entschieden, die eine gewisse Selbstverständlichkeit hat. Das Haus stammt ursprünglich aus 1780, und dem, was damals schon verwendet wurde, muss ich was entgegensetzen, das ungefähr dieselbe Qualität hat.
Ist die Selbstverständlichkeit ein wesentlicher Qualitätsfaktor für Architektur insgesamt?
Für uns schon. Ich sage immer, das größte Lob, das man vom Bauherrn bekommen kann, ist: „Eigentlich habe ich es mir genauso vorgestellt.“ Dann sind wir dort, wo man hin muss. Unser Ziel ist es, das zu erzeugen. Ich verstehe Selbstverständlichkeit aber nicht als gleichartig. Es soll nicht aufgesetzt wirken. Und wenn der Gestaltungswille so hoch ist, dass es dann in einem Design endet, das man lange erklären muss, dann ist es nicht selbstverständlich.
Was braucht die Selbstverständlichkeit, damit sie gelingt?
Wir haben uns mit der Materialität des Grundgebäudes auseinandergesetzt und haben einmal ganz bewusst den Kontrast herbeigeführt. Wir suchen nach Materialien, die passen, aber verwenden sie in einer anderen Formensprache. Und das muss dann aber handwerklich so qualitativ hochwertig sein, dass das nicht aufgesetzt ist, dass es zeitlos ist und bestehen kann neben den alten Teilen, die wir wiederverwendet haben. Obwohl dort (im Haus F, Anm.) alles neu ist, soll man, wenn man vorbeifährt, das Gefühl haben, dass es immer schon so war. Das ist wahnsinnig schwer zu erzeugen. Und man muss es in der Innenarchitektur auch weiterführen. Es braucht hohe Qualität in der Umsetzung. Wenn ich da – und das meine ich gar nicht despektierlich – eine Ikea-Küche reinsetzen würde, dann kann ich das nicht erzeugen. Dass etwas made to measure ist, also für dort überlegt, das braucht es. Das geht nicht anders.
Weil es jetzt zum zweiten Mal gefallen ist. Wie wichtig ist Ihnen, dass die Dinge, die Sie gestalten, zeitlos sind?
Sehr wichtig. Wir gestalten und bauen nichts, was „modern“ ist – in dem Sinn, dass es einer Mode folgt. Wir verwenden Materialien, die mit der Zeit besser werden, die eine Patina bekommen können. Und das, was wir tun, soll mehrere Dekaden überstehen und dann immer noch ansehnlich sein. Dieses Haus in Fladnitz steht da jetzt seit über 200 Jahren. Schön wäre, wenn es in 100 Jahren auch noch steht, man es anschaut und immer noch sagt: „Es funktioniert, es ist gut und ästhetisch ansprechend.“ Dafür braucht es schlichte, einfache, klare Linien.
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Celsius 483