Das Altstadt Vienna ist Wiens vielleicht ungewöhnlichstes Hotel. Otto Ernst Wiesenthal sein nicht minder ungewöhnlicher Besitzer. Aus einem Wiener Patrizierhaus machte der Unternehmer und begeisterte Kunstsammler ein außergewöhnliches Hotel, das zugleich eine Galerie für seine beeindruckende Sammlung ist.
Credits Fotos: Sailer David, Witt-Dörring Constantin
Es ist gar nicht so leicht, Otto Ernst Wiesenthal in seinem Altstadt Vienna anzutreffen. Das liegt nicht nur daran, dass er die Geschäfte mit 75 nicht mehr selbst führt und das mittlerweile seinen Töchtern überlässt. Es liegt vor allem daran, dass Wiesenthal viel reist, auch um sich inspirieren zu lassen, und seit jeher Management by Absence praktiziert, wie er das nennt – Management durch Abwesenheit: „Wenn Sie gute Leute haben, die gerne hier arbeiten, und die dann auch machen lassen, dann schauen die darauf, dass es den Gästen gut geht.“ Er, sagt Wiesenthal, mache das, was er gut könne und überlasse den anderen, was die ohnehin viel besser könnten. Und überhaupt, er habe so ein schlechtes Personengedächtnis, was für einen Hotelier sowieso kontraproduktiv sei und seit seiner Grauer-Star-Operation – „eine von 1000 geht daneben und das war eben meine“ – sehe er auch nicht mehr so gut. Es sei also wahrscheinlich sowieso besser, wenn er nicht so viel da ist.
„Da“ heißt in dem Fall eben im Hotel Altstadt Vienna in der Wiener Kirchengasse, wo man aus dem Salon – dem Frühstücksraum – direkt auf die Kirche St. Ulrich hinaussieht. Diese Aussicht hatte es Otto Ernst Wiesenthal von Anfang an angetan. Eigentlich war Wiesenthal Anfang der 90er Jahre – gerade als Osteuropa-Chef eines amerikanischen IT-Unternehmens ausgeschieden – für ein befreundetes russisches Unternehmen auf der Suche nach einem Hotelinvestment in Wien gewesen. Aus dem Deal mit den Russen wurde nichts. Was für die Russen der falsche, war dann für Wiesenthal der richtige Zeitpunkt. Und der Sohn eines Rechtsanwalts und einer Ärztin, der zwar schon damals sehr gern reiste, aber sonst keine Hotel-Erfahrung besaß, machte sich kurzerhand selbst zum Hotelier und das Haus zum vielleicht ungewöhnlichsten Hotel der Stadt.
„Das Altstadt“ ist selbst unter den Boutique Hotels ein Charakter für sich. Es ist mindestens genauso sehr Ausstellungsraum für Otto Ernst Wiesenthals mehrere hunderte Stücke umfassende Kunstsammlung wie Hotel. In den Gängen begegnen einem nicht nur originale Möbel von Gio Ponti oder Lampen von Frank O. Gehry. Sondern auch Fotografien von Helmut Newton oder Figuren aus dem Guggenheim Museum in Venedig. Großformatige Bilder, wohin man schaut. Und wo sonst könnte man neben einem echten Chagall oder einem Original von Niki de Saint Phalle aufwachen. Die mittlerweile über 60 Zimmer haben alle ihre eigene Persönlichkeit. Gestaltet von Persönlichkeiten. Von Designern, Architekten, Künstlern. Modeschöpfer Atil Kutoğlu etwa oder Schauspieler Tobias Moretti, MAK-Direktorin Lilli Hollein ebenso wie von der Künstlergruppe ZUKCLUB. Der italienische Architekturstar Matteo Thun hat gleich mehrere Zimmer entworfen. Spätestens damit war der Sprung vom guten Hotel zum bekannten Namen gelungen.
Kunst soweit das Auge reicht
Das klassische Wiener Patrizierhaus, mit hohen Decken, großen Fenstern, opulenten Türen und Stuck an der Decke, ist der ideale Rahmen für Wiener Wohnen auf Zeit. Der, im besten Sinne, eklektische Stil des Hauses hat dabei auch mit der Situation als Wohnhaus zu tun. „Jedes Mal, wenn im Haus eine Wohnung frei wurde, und man mir das angeboten hat, haben wir etwas dazu gemietet.“ So sind mittlerweile 62 Zimmer und Suiten zusammengekommen.
Das neueste unter ihnen ist die Freud Suite. Gestaltet hat sie Architektin Elfrid Wimmer-Repp als stilvolle Mischung aus Antiquitäten, Neuem, das sich nahtlos einfügt, smarten Zitaten aus Freuds eigener Wohnumgebung und natürlich der passenden Kunst. „Den Schrank“, Wiesenthal deutet auf einen Kleiderschrank, der verdächtig nach Fin-de-Siècle aussieht, „haben wir speziell für diese Freud Suite bei Josef Göbel in dem Stil anfertigen lassen.“ Mit Josef Göbel verbindet Otto Ernst Wiesenthal gewissermaßen familiäre Bande. Man arbeite seit über 20 Jahren zusammen. „Damals hat die Helga Lindmoser, geborene Göbel, bei uns gearbeitet“, erzählt er, „also haben wir uns entschlossen, mit dem Vater ein Zimmer umzusetzen.“ Dabei sei so ziemlich alles schiefgegangen. Abschrecken ließ sich Wiesenthal davon nicht. Im Gegenteil. Das Zimmer heißt heute noch Helga’s Room.
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